Leserbrief zum Reformationstagsgottesdienst im Tersteegenhaus

Anmerkungen zur Feier des Reformationstages im Tersteegenhaus
aus der Perspektive eines katholischen Christen

Vor jedem Sonntag überlege ich mir, in welcher Gemeinde ich den Sonntags-Gottesdienst
mitfeiern möchte. Beim Sonntags-Frühstück am 31.10. hörte ich zufällig den Choral „Eine
feste Burg ist unser Gott“. Da wusste ich, dass ich auf jeden Fall, heute am Reformationstag,
den Gottesdienst einer Evangelischen Gemeinde besuchen wollte und fand ihn als einen
Akzente-Gottesdienst im Teersteegenhaus, betitelt: „Marie zu Ehren…“Gottesdienst zum
Reformationstag. Zur Erinnerung an die Theologin und Lehrerin Dr.Marie Veit (1921-2004).

Der äußere Grund für meine Wahl war die Tatsache, dass Marie Veit die Patentante meiner
Ehefrau gewesen ist. Der innere Grund war: Mir wurde bewusst, dass meine Veränderung der
Kirche gerade heute von existentieller Bedeutung ist. Ich spürte eine innere Zufriedenheit,
eine fast beglückende Erinnerung, dass es vor gut 500 Jahren einen mutigen Mann gab, der
sich mit seiner Kirche und den Papst angelegt hat, um Veränderungen in Gang zu bringen.
Ich dachte bei mir, genau solch einen Mann oder solch eine Frau braucht es auch heute, um
die Ausrichtung christlichen Glaubens wieder deutlicher am Evangelium zu orientieren.
Da diese Aufgabe sich allen Kirchen gleichermaßen stellt, sollte sie mit der vollen Kraft einer
gelebten Ökumene angegangen werden.

Die Begrüßung von Pfarrerin Kurbjeweit bestätigte meine Überlegungen mit dem Hinweis,
dass der Reformationstag daran erinnert, dass die Kirche sich immer verändern muss.
Gleichzeitig erschloss sich mir der Kontext mit dem gewählten Akzent des Gottesdienstes
„Marie zu Ehren…“Dorothee Sölle nannte Marie Veit eine „Agentin der Veränderung“

Der Satz „Ecclesia semper reformanda est!“ war mir bereits im Religionsunterricht begegnet.
Dieser Satz wird neben Martin Luther gleich mehreren Theologen in den Mund gelegt.
Auch Papst Franziskus spricht davon, dass sich die Kirche verändern muss. Vor rund 60
Jahren eröffnete Johannes XXIII. Das zweite Vatikanische Konzil, indem er die Fenster der
Konzilsaula mit den Worten aufriss „Es wird Zeit, dass frische Luft in die Kirche kommt.“

Mir erscheint die Feststellung von Roger Schutz dem Gründer von Taize, heute bedrückender
denn je, dass die Spaltung der Christenheit ein großer Skandal ist. Die Frage bleibt, wie diese
Spaltung überwunden werden kann. „Theologie muss von unten kommen“ lautet ein Buch
von Marie Veit (Peter Hammer Verlag, 1991) und ein wichtiger Satz darin: „Die Gemeinde ist
das Subjekt der Theologie.“ Daher denke ich, dass die persönliche Begegnung von Menschen,
die versuchen, ihr Leben an Jesus Christus zu orientieren, an dem Ort, an dem sie leben, mehr
für ein Miteinander bewirkt als thelogische Diskussionen von Kirchenfunktionären.
Die Zeit, in der in festen konfessionellen Kategorien gedacht wurde, sollte zu Ende sein!

In diesem Anliegen, so ist meine Erfahrung, ist sich eine Vielzahl von aufgeschlossenen
Christen einig! Marie Veit sagt ihren Schülerinnen: „Die Kirche ist das Haus, in dem der
Glaube wächst. Vergessen Sie das Haus!“
Ebenfalls beeindruckt ihr tiefgründiger Satz:“Wer noch nie katholisch werden wollte, ist
noch nicht richtig katholisch!“ Vielleicht geht es darum, aus der eigenen Kirche
herauszutreten, ohne aus ihr auszutreten, aber beim Verlassen oder Vergessen des Hauses
gemeinsam im Licht des Evangeliums Jesus zu begegnen und ihm zu folgen.
Heijo Heidemann